Dieses Mal waren wir auf Chios, der fünftgrößten Insel Griechenlands, auf der der Mastixbaum bereits seit der Antike daheim ist.
Wir laden Sie ein, uns auf unserer 14-tägigen Reise durch Chios zu begleiten:
Tag 1: Mittwoch, 21. September
Der Wecker steht auf 20 nach 3 Uhr und bereits um 4 Uhr steht das Taxi vor der Tür. Wer zum Teufel kommt bloß auf die blöde Idee, einen Flug auf 5 nach 6 Uhr in der Früh zu legen?!?
Ziemlich unausgeschlafen sitzen wir dann aber tatsächlich im Flieger und heben pünktlich ab. Ebenso pünktlich landet die „Borussia Mönchengladbach“ (noch so eine blöde Idee, ein Flugzeug nach einer Fußballmannschaft zu benennen!) knapp zweieinhalb Stunden später auf dem Flughafen von Mytilini.
Nun brennen wir darauf, die Fähre nach Chios zu besteigen, doch wir werden von unserer Reiseleitung gleich ausgebremst: die Fähre nach Chios legt erst um 18 Uhr ab, daher werden wir erst mal in ein Tageshotel in der Nähe der Hauptstadt gebracht.
Dort ziehen wir uns nur schnell ein paar luftigere Klamotten an, rufen ein Taxi und lassen uns in die Stadt bringen, wo wir auf der Odos Ermou und der Hafenpromenade entlangbummeln und einen Happen essen. Leider kommen wir auf unserem Weg zu spät am byzantinischen Museum vorbei, denn es hat bereits ab Mittag geschlossen. Nach ein paar Regentropfen am Nachmittag beschließen wir, wieder ins Hotel zurückzukehren.
Die Silhouette von Mytilini, der Hauptstadt von Lesbos, wird durch die Kuppel der Kirche Agios Therapontos beherrscht.
Wir müssen uns sowieso noch telefonisch um unser Mietauto kümmern, das wir von zu Hause aus gebucht und für heute Abend um 19 Uhr ins Hotel bestellt haben. Da wir zu dieser Zeit ja noch unterwegs auf der Fähre sein werden, wollen wir die Übergabe auf morgen früh legen. Es scheint für die Mietwagenzentrale etwas schwierig zu sein, die Zweigstelle in Chios zu erreichen, daher sind wir schon etwas skeptisch, ob das morgen auch klappt.
Die Überfahrt mit der Fähre dauert fast dreieinhalb Stunden und ist etwas langweilig, da es draußen schon stockdunkel ist. Die Lichter der Fischerboote draußen sind da noch das einzig Interessante!
Als wir mit der Fähre Richtung Chios ablegen, ist es schon früher Abend.
Es ist jedenfalls schon fast 23 Uhr, als wir endlich im Hotel ankommen. Der erste Eindruck ist positiv, wir haben aber erst mal Hunger und suchen uns eine Taverne, wo wir noch etwas zu Essen bekommen. Später fallen wir ziemlich erschöpft ins Bett und verschieben die nähere Erkundung des Ortes auf morgen. War ja auch ein ziemlich langer Tag heute!
Tag 2: Donnerstag, 22. September
Es hat tatsächlich geklappt mit dem Auto! Für griechische Verhältnisse überpünktlich rollt um 5 nach 9 Uhr ein roter Hyundai Athos an und ein paar Minuten später haben wir auch schon die Wagenschlüssel und Papiere in der Hand. Es bleibt sogar noch genügend Zeit, uns die Hotelanlage anzuschauen (eine gute Wahl!) und anschließend Richtung Chios-Stadt zum Einkaufen zu fahren, bevor unsere Reiseleiterin um 10 Uhr 45 auftaucht.
Das Hotel Sun Village in Megas Limnionas ist eine gute Wahl.
Wir können wir ihr so einige Tipps aus der Nase ziehen und erfahren u.a. auch, dass das komische, salzige Grünzeug auf unserem Salat gestern eine lokale Spezialität ist und „Kritamo“ heißt.
Den Kopf voller Pläne und eine Straßenkarte in der Hand, fahren wir Richtung Süden nach Armolia. Am Ortsrand bieten ein paar Töpferläden ihre bunt glasierten Waren an und in den engen, verwinkelten Gässchen könnte man sich glatt verlaufen.
Eine Töpferin bei der Arbeit.
Ein paar Kilometer weiter bestaunen wir in Pyrgi die unzähligen geometrischen Muster, die in mühseliger Arbeit in die Häuserfassaden gekratzt wurden. An einigen Balkonen hängen aufgefädelte Tomaten zum Trocknen und der Kontrast zwischen dem Schwarz-Weiß der Häuser und den knallroten Tomaten ist einfach fantastisch.
Ein weiterer Höhepunkt erwartet uns in der Taverne auf der Platia, wo wir herrliche Sousoukakia mit Spaghetti genießen und vom Balkon aus dem Treiben auf der Platia zuschauen.
Auf der Rückfahrt schauen wir uns ein paar Mastixbäume am Straßenrand genauer an. Kaum haben wir jedoch unsere Kamera ausgepackt, um die heruntertropfenden Mastixtränen zu fotografieren, werden wir darauf hingewiesen, dass ein Militärstützpunkt in der Nähe und daher fotografieren verboten sei. Wir packen alles wieder weg, stecken uns aber vorher noch jeder eine Träne in den Mund. Sie schmeckt sehr harzig und ein wenig gewöhnungsbedürftig!
Das Harz des Mastixbaumes tropft in „Tränen“ aus den Schnittstellen.
Tag 3: Freitag, 23. September
Auch heute zieht es uns wieder Richtung Süden, wo wir zum Apolihnon Castle bei Armolia hinaufwandern wollen. Den herrlichen Ausblick, der uns oben auf dem Hügel erwartet, müssen wir uns leider erst mit einem etwa 30minütigen Aufstieg verdienen.
Um das Apolihon Castle zu besuchen, muss man erst einen Hügel erklimmen.
Die Weiterfahrt führt uns über Komi nach Emporio, wo wir von den Ausgrabungen einer fast 3000 Jahre alten Siedlung restlos begeistert sind. Anhand einer Videovorführung und vieler Infotafeln können wir uns ein recht gutes Bild der einzelnen Gebäude machen.
Doch auch Emporio selbst mit seinem kreisrunden Hafen und den beiden schwarzen Kieselstränden gefällt uns recht gut. Die Hafentavernen sehen recht nett aus und Hunger haben wir auch, daher beschließen wir, hier erst mal eine kleine Pause einzulegen. Mit der idyllischen Ruhe ist es jedoch bald vorbei, denn kaum sitzen wir, fällt ein ganzer Reisebus mit griechischen Touristen wie ein Schwarm Heuschrecken über unsere Taverne her. Trotzdem ist es ganz lustig zu beobachten, dass sich griechische Touristen, wenn sie Hunger haben, doch kaum von anderen Touristen unterscheiden.
Die gemütliche Taverne in Emporio lädt zum Verweilen ein.
Der schwarze Kieselsteinstrand Mavra Volia gefällt uns so gut, dass wir spontan beschließen, hier das kristallklare Meer auszutesten. Als sich die Sonne langsam Richtung Horizont bewegt, reißen wir uns schweren Herzens los und fahren zurück ins Hotel.
Tag 4: Samstag, 24. September
Eigentlich wollen wir heute einmal zur Abwechslung den Norden der Insel erkunden, doch wir kommen nicht über Daskalopetra hinaus.
Wir können gerade noch den „Stein des Homer“ anschauen, als es schon aus allen Kübeln zu gießen anfängt. Die Regenwolken hängen tief in den Hängen des Epos und es scheint weiter im Norden auch keine Besserung in Sicht. Also kehren wir in den Süden zurück, wo es uns heller erscheint. Wir haben Recht: das Wetter ist dort tatsächlich besser, keine Spur mehr vom Regen.
Der Stein des Homer.
Die Route, die wir heute durch die Mastichochoria nehmen, führt uns über die Bergdörfer Vessa und Eleta bis nach Mesta. Nach ein wenig Sucherei finden wir in den verwinkelten Gassen von Mesta die Platia, wo wir uns erst einmal stärken. Hier fühlt man sich an vielen Stellen förmlich ins Mittelalter versetzt, die Gassen sind gepflastert und teilweise festungsartig überdacht und von außen macht das Dorf auch heute noch einen abweisenden, wehrhaften Eindruck.
Ein paar Kilometer weiter, bei Olympi, erreichen wir dann die erst vor wenigen Jahren entdeckte und erschlossene Tropfsteinhöhle, in der wir im Rahmen einer Führung etwa 30 Meter unter die Erdoberfläche hinabsteigen. Wir sind beeindruckt von den seltsamen Skulpturen, die das herabrinnende Wasser in Millionen von Jahren hier geschaffen hat und spüren erst beim Herausgehen, dass die Höhle eine so extreme Luftfeuchtigkeit besitzt, dass wir total verklebt und verschwitzt sind.
In der Tropfsteinhöhle bei Olympi.
Der Abstecher nach Kato Fana mit seinem Apollo-Tempel überzeugt uns nicht so ganz, auch der Strand ist kein unbedingtes Muss, aber wenn wir schon gerade in der Nähe sind … Leider ist es schon zu spät für den Strand von Emporio, daher machen wir uns langsam auf den Weg nach Megas Limnionas zum Hotel, wo wir nach einem kleinen Abendimbiss noch auf ein „gefrorenes“ Bier in eine schicke Bar im Ort gehen.
Tag 5: Sonntag, 25. September
Heute ist von den gestrigen Regenwolken überhaupt keine Spur mehr zu sehen. Ein idealer Badetag also! Und weil wir gestern keine Zeit mehr hatten, in Emporio zu baden, wollen wir heute wenigstens einen halben Strandtag einlegen.
Am Mavra Volia-Strand von Emporio sind wir erst mal völlig alleine.
Als wir in Emporio ankommen, haben wir den Strand ganz für uns alleine und es dauert auch noch über eine Stunde, bis wir uns die 500 Meter mit zwei weiteren Sonnenhungrigen „teilen“ müssen. Ab 1 Uhr werden uns die schwarzen Kiesel dann doch etwas zu heiß unter den Füßen, und der Hunger treibt uns in die Taverne von Pyrgi, in der Maria, die – wie sie selber sagt – „beste Köchin der Insel“, uns mit Köstlichkeiten aus ihrer Küche verwöhnt.
In der Taverne Baltazar in Pyrgi zaubert die Wirtin Maria die herrlichsten Gerichte.
Wir können ihr Urteil im übrigen nur bestätigen und kehren satt und zufrieden wieder ins Hotel zurück, wo wir den restlichen Nachmittag mit Lesen verbringen.
Tag 6: Montag, 26. September
Wir haben uns für den heutigen Tag viel vorgenommen, daher sitzen wir schon um 8 Uhr beim Frühstück. Auch das Wetter passt prima und unserem Ausflug Richtung Norden steht nichts mehr im Wege.
Als erstes jedoch machen wir einen kleinen Zwischenstopp bei unserem Autovermieter in Chios-Stadt, wo wir mal schnell den Scheibenwischer austauschen lassen wollen, denn den hätten wir vorgestern im Regen beinahe verloren. Doch das ist schwieriger als erwartet, keiner schafft es, das Gummiblatt in die Wischerschiene zu bekommen. Wir hoffen, dass der Chef das besser kann, vertagen das Ganze kurzerhand auf morgen und starten unsere Fahrt gen Norden.
Die erste Station ist das Fischerdorf Lagada, dessen traumhafte Idylle nur durch ein wild hupendes Bäckerauto gestört wird, das uns durch die Gässchen des Ortes regelrecht verfolgt.
Letztendlich fliehen wir weiter nach Kardamyla, das gegen Mittag recht verlassen wirkt – bis auf ein weiteres, laut hupendes Bäckerauto! Hilfe, was ist denn heute los?
Erst als wir hinauf in den verlassenen Ortsteil Spilia kommen, herrscht wieder Ruhe, nur ein paar Katzen fauchen sich auf einer Wiese ausgiebig an. Revierstreitigkeiten oder Liebesspiele? So genau können wir das nicht unterscheiden.
Eine kleine Meinungsverschiedenheit unter Katzen?
In Marmaro, dem am Meer gelegenen Ortsteil von Kardamyla, suchen wir nach einem Volkskundemuseum, das hier irgendwo in der Nähe der Platia sein soll. Nach einer halben Stunde intensiven Suchens geben wir die Hoffnung auf, dass hier jemals ein Museum stand und kaufen uns stattdessen etwas Gebäck im Ort, das wir zu Füßen einer sehnsüchtig in die Ferne blickenden Bronzestatue vertilgen.
In Marmaro, dem Dorf der Reeder, winkt eine Frau aus Bronze den zur See fahrenden Fischern nach.
Wir beschließen, dass wir für heute schon weit genug gefahren sind und machen uns auf den Rückweg. Dabei führt uns der Weg an Gria’s Castle vorbei, einer Festung, die auf einem kargen Felsen inmitten einer baumlosen Ebene liegt, in das absolut einsam gelegene Dorf Pitios, das mit seiner trutzigen kleinen Burg aber ziemlich wehrhaft aussieht.
Nach einem kleinen Einkauf in Chios kommen wir am späten Nachmittag zurück in unser Hotel, wo wir uns von der anstrengenden Fahrt erholen können.
Tag 7: Dienstag, 27. September
Nach dem frühen Aufstehen gestern wollen wir es mal etwas gemütlicher angehen: ein bißchen Kultur darf schon sein, aber etwas weniger im Auto sitzen wäre auch nicht schlecht. Und baden wollen wir heute auch noch.
Also bleiben wir in der Nähe und besuchen als erstes das Kloster Agios Minas, in dem uns eine gehörlose ältere Nonne am Boden der Kirche die schrecklichen Spuren eines Massakers zeigt, dem 1822 Tausende Inselbewohner zum Opfer fielen. Auch ins Beinhaus werden wir geführt, wo die Gebeine der Toten aufgestapelt sind. Uns Mitteleuropäern jagt dieser ungewohnte Anblick schon einen seltsamen Schauer über den Rücken.
Um unsere etwas gedrückte Stimmung loszuwerden, fahren wir weiter nach Kalimassi, das ein fantastisch eingerichtetes Folklore-Museum besitzt. Der Wegweiser zeigt auf eine Schule, die wir zunächst etwas zögerlich betreten. Doch wir finden schnell zwei Lehrer, die extra für uns die Ausstellung aufschließen, die sich im Keller der Schule befindet. Als wir nach einer Eintrittsgebühr fragen, winken beide ab, es sei ja schon Wintersaison, da kostet es nichts. Nicht einmal ein, zwei Euro Spende dürfen wir in den aufgestellten Kasten werfen! Wir unterhalten uns noch eine ganze Weile mit den beiden Lehrern.
Das Folklore-Museum von Kalimassi ist sehr liebevoll eingerichtet.
Dann fahren wir weiter und kommen nach einer Rundtour durch ein paar kleine Dörfer nach Kalamoti. Hier merkt man, dass der Ort etwas abseits der Hauptstraße liegt, wir begegnen hier keinen Touristen. Die gepflasterten, relativ breiten Straßen bilden einen seltsamen Kontrast zu den teilweise verfallenen und unbewohnten Häusern.
Nun haben wir genug Kultur gesehen und fahren nach Agia Fotia, wo wir in der Taverne etwas essen und uns dann an den Strand legen.
Am Strand von Agia Fotini
Wir haben gegen Abend noch ein „Date“ mit unserem Autovermieter, der hier in Agia Fotia seine Hauptstelle hat. Als wir zur ausgemachten Zeit zu unserem Auto kommen, hat er den Scheibenwischer bereits ausgewechselt und winkt uns von gegenüber fröhlich zu.
Nun hat unser Auto wieder einen funktionierenden Scheibenwischer.
Tag 8: Mittwoch, 28. September
Was für eine Ochsentour heute! Unser Ziel ist heute der Nordwesten, wo wir zuerst das Moundon-Kloster suchen. Obwohl wir es eigentlich auf Anhieb finden, fahren wir erst mal daran vorbei, denn auf allen unseren Karten liegt es kurz vor dem nächsten Ort. Doch als wir dort ankommen, sind wir uns sicher, dass unser erster Instinkt richtig war. Wir kehren also um und landen ein paar Kilometer später inmitten in einer riesigen Ziegenherde, die uns Gottseidank nach ein paar Minuten Platz macht.
Plötzlich steht eine große Ziegenherde auf der Straße und behindert unsere Weiterfahrt.
Das verlassene Moundon-Kloster ist ein idyllischer, ruhiger Ort. Schade, dass auch hier wie fast überall auf dem Land die Kirche abgeschlossen ist.
Unser nächstes Ziel ist Volissos, der größte Ort der Gegend. Die Burg wirkt von unten recht imposant, wenn man jedoch oben angekommen ist, macht sie einen eher mickrigen Eindruck.
Agia Markela, der wichtigste Wallfahrtsort von Chios, ist dementsprechend gut besucht. Wie praktisch, dass direkt neben dem Kloster eine große Taverne liegt, die locker zwei oder drei Busladungen verköstigen kann. Uns schreckt dieser Massenauflauf eher ab und wir fahren weiter in die wohl einsamste Gegend der Insel, in den Nordwesten.
Über verlassen wirkende kleine Dörfer und kurvige Straßen erreichen wir Agia Gala. Dort haben wir Glück, denn in der Tropfsteinhöhle wird gerade eine neue Beleuchtung installiert und wir müssen so niemanden suchen, der uns aufsperrt. Die Panagia-Kirche ist leider verschlossen, aber die kleine Agios Thalelaios-Kapelle mit der schönen Holz-Ikonostase und den alten, rußgeschwärzten Fresken ist dagegen geöffnet.
Die Straße, die sich rund um das Amani-Gebirge schlängelt und von der Vegetation schon stellenweise zurückerobert wurde, führt uns unter anderem weiter nach Agiasmata, wo wir keine einzige Menschenseele entdecken können. Das scheint der entlegenste Flecken Erde zu sein, den es auf Chios gibt: kein Kafenion, keine Taverne, nur ein einziges Auto kommt uns unterwegs entgegen.
Der Strand von Agiasmata liegt völlig verlassen da.
Wir fahren schnell wieder weiter und kommen erleichtert, dass es wieder Zeichen von Leben gibt, wieder zurück nach Volissos, wo wir in der Dorftaverne noch ein verspätetes Mittagessen einnehmen.
Der Rückweg nach Megas Limnionas dauert über 1 Stunde, obwohl es „nur“ etwa 50 km sind, doch in den kurvigen Bergstraßen kommt man einfach nicht schneller voran. Der Tag war ziemlich anstrengend und wir sind dementsprechend erschöpft.
Tag 9: Donnerstag, 29. September
Wir sind uns einig, dass wir heute nicht so weit fahren werden wie gestern und legen einen nicht ganz so stressigen Tag in Chios-Stadt ein.
Als erstes besuchen wir das Archäologische Museum, in dem eine große Menge an archäologischen Funden der Insel ausgestellt wird. Es sind einige wirklich schöne Schmuckstücke und fein gearbeitete Statuen dabei. Am meisten amüsiert uns hier aber ein „Brief“ von Alexander dem Großen an die Einwohner von Chios: der schätzungsweise 50 cm hohe Marmorblock hat sicher in keinen Briefumschlag gepasst …
Im Garten des Archäologischen Museums ist ein mazedonisches Grabmal aufgebaut.
Ein paar Straßen weiter besuchen wir die Korais-Bibliothek, wo wir allerdings nur das Philip Argenti-Museum mit der Bildergalerie und dem Folklore-Museum anschauen können. Um ehrlich zu sein: das Volkskundemuseum in Kalimassi ist weitaus lebendiger als diese Ausstellung – wir sind etwas enttäuscht.
Bei einem Bummel durch die Gassen der Stadt stellen wir fest, dass das Byzantinische Museum in der alten türkischen Moschee gerade wegen Renovierung geschlossen hat. Auch die Suche nach dem Maritime Museum bleibt erfolglos. Also beenden wir unsere kulturellen Ambitionen und entscheiden uns stattdessen für Strand und Meer in Agia Fotia.
Im Hof des Byzantinischen Museums wird gerade renoviert, daher ist das Museum geschlossen.
Tag 10: Freitag, 30. September
Die Inselmitte haben wir bis jetzt noch nicht besucht, daher wird es langsam mal Zeit, diese Gegend anzuschauen. Hier liegen unter anderem die wichtigsten Klöster der Insel.
Unser erster Halt ist das Kloster Agios Markos, wo wir von mindestens sechs Katzen in Empfang genommen werden. Der zunächst etwas grimmig aussehende Klosterverwalter öffnet uns wortlos die Kirchentür, legt Angelika noch ein Tuch über die Schultern und hält uns, als wir wieder herauskommen, eine Dose mit klebrig-süßen Loukoumia unter die Nase. Man kann sich auch ohne viele Worte verstehen.
Agios Markos ist ein Zufluchtsort für Klosterkatzen.
Nea Moni dagegen ist ein regelrechter Kontrast: 2 Reisebusse mit schnatternden griechischen Touristen, eine Kirche, die wegen Renovierung geschlossen hat, und überall Baugerüste und Planen – wir treten daher bald die Flucht an.
Die Renovierungsarbeiten im Kloster Nea Moni werden wohl noch ein bis zwei Jahre dauern.
Ein paar Kilometer weiter kommen wir zum Männerkloster Agii Pateres. Wir ziehen uns vorher noch beide etwas „Schicklicheres“ an, doch diesmal können wir offenbar den strengen Kleidervorschriften (die bisher noch in jeder noch so abgelegenen Kirche ausgereicht hatten) absolut nicht genügen: Ein finster dreinblickender Mönch verpasst jeder Frau einen bereit hängenden Rock (auch lange Hosen werden als nicht passend erachtet!), Ärmel müssen mindestens die Ellbogen bedecken und überhaupt ist fotografieren verboten. Ein paar Minuten später, verkleidet wie im Fasching, dürfen wir dann endlich eintreten und können die Höhle der Eremiten, die dem Kloster seinen Namen gaben, besichtigen.
Auf der Weiterfahrt erreichen wir zunächst Avgonyma, wo uns der Duft eines großen Gyros-Spießes in die Nase steigt. Es ist noch etwas zu früh zum Essen, daher fahren wir erst mal weiter nach Anavatos, wo leider nur der untere Teil des verlassenen Dorfes zu besichtigen ist, die höher gelegenen Häuser sind wegen Einsturzgefahr gesperrt. Dennoch ist die Lage auf einem Felssporn beeindruckend.
Zwischenzeitlich ist es spät genug, um in die Taverne in Avgonyma zurückzukehren, wo der Fleischspieß auf dem Grill eine appetitliche Farbe angenommen hat. Auch wenn wir unser Essen gegen ein paar aufdringliche Wespen verteidigen müssen, schmeckt es uns hervorragend.
In der Taverne in Avgonyma.
Viel gibt ansonsten es in dieser Gegend nicht zu sehen, so dass wir über Lithi, Vessa, Agios Georgios, Tholopotami und Kalimassia nach Agia Fotia fahren, wo das Meer schon einladend auf uns wartet.
Tag 11: Samstag, 1. Oktober
Die Saison scheint sich langsam dem Ende zuzuneigen. Eine größere Gästegruppe reist offenbar heute ab und da wir in unserem Nebengebäude die letzten sind, bekommen wir von unserer Hotelwirtin ein Zimmer im Haupthaus angeboten. Wir freuen uns darüber, dass wir ein noch schöneres, größeres 2-Zimmer-Appartement mit Balkon und Blick auf die türkische Küste bekommen und packen schnell unsere Sachen zusammen, bevor es sich noch jemand anders überlegen kann.
Von unserem neuen Zimmer aus haben wir einen schönen Blick auf die türkische Küste.
Da das Wetter heute wieder etwas zuzieht, fahren wir nur nach Chios-Stadt, wo wir in der Tourist Information ein paar Fragen klären können. Außerdem lassen wir uns auf dem Stadtplan zeigen, wo das Maritime Museum liegt und nehmen Infomaterial für zu Hause mit.
Ein paar Schritte weiter liegt der etwas unscheinbar wirkende Eingang ins Kastro-Viertel, wo wir erst mal im Giustiani-Palast die Freskenausstellung anschauen. Diese sind zwar ganz schön, aber 2 Euro Eintritt finden wir doch etwas happig. Das Kastro-Viertel wirkt wie ein eigenes, abgeschlossenes Dorf und wir schlendern durch die Gassen, in denen man noch viele türkische Relikte finden kann, wie die ehemalige Moschee und den Türken-Friedhof. Die „Turbane“ auf den Grabsteinen sehen ganz lustig aus, aber sie bedeuten, dass der Verstorbene ein Hadjdji war und in seinem Leben mindestens eine Wallfahrt nach Mekka oder Kerbela unternommen hat.
Zwischenzeitlich sieht es nach Gewitter aus, daher suchen wir uns ein Zacharoplasteion, in dem wir uns mit Frappée und Baklava einen wahren Zucker-Koffein-Schock verpassen – danach ist es uns fast egal, ob es immer noch regnet oder nicht.
Die Kafenion an der Hafenpromenade von Chios-Stadt sind zu jeder Tageszeit gut besucht.
Nach einer Weile beschließen wir, doch noch heute das Maritime Museum zu suchen. Wir haben Glück, denn wir kommen etwa eine halbe Stunde vor Schließung an und staunen über die Vielzahl der ausgestellten Schiffsmodelle, Gemälde und nautischen Geräte.
Den restlichen, etwas verregneten Nachmittag verbringen wir im Hotel und können endlich mal ein paar Postkarten nach Hause schreiben.
Tag 12: Sonntag, 2. Oktober
Die dunklen Regenwolken sind heute schon wieder verschwunden, auch wenn noch ein paar weiße Wattewolken über den ansonsten blauen Himmel ziehen. Es scheint weder Regen zu geben noch extrem heiß zu werden – ideal also für eine nette kleine Wanderung.
Wir brechen daher nach Volissos auf, wo wir das Malagioti-Tal mit seinen Wassermühlen durchwandern wollen. Die Wanderung ist nicht sonderlich anstrengend und führt die meiste Zeit über einen Feldweg, von dem aus man jeweils in wenigen Schritten zu den mehr oder weniger gut erhaltenen Mühlen gelangen kann.
Zwischen den Mühlen im Malagioti-Tal wird das Wasser in Wasserrinnen geführt.
Da die Wolken nun doch wieder etwas dunkler zu werden scheinen und auch der Weg nicht mehr ganz so eindeutig ist, machen wir an der vierten Mühle kehrt und gehen zurück zum Auto. Außerdem wollen wir ja noch in das Archäologische Museum von Volissos gehen.
Als wir dort ankommen, ist das Museum leider – entgegen dem Schild an der Tür – geschlossen, was uns etwas enttäuscht. Daher setzen wir uns in die Taverne und beobachten das Geschehen auf der Platia. Ein Fischhändler ist hier die heutige Attraktion, sogar der Pope holt sich bei ihm eine Tüte kleine Fische. Anschließend landen alle Männer in der Taverne, wo sie lautstark diskutieren und miteinander ein paar Ouzo trinken.
Der fliegende Fischhändler macht heute ein gutes Geschäft.
Wir fahren bald wieder ins Hotel zurück und sitzen auf dem Balkon, da es für den Strand heute doch noch etwas zu bedeckt ist.
In der Nacht verschwinden die Wolken jedoch komplett, deshalb fahren wir nochmal aus dem Ort heraus, um die Sterne am Himmel zu beobachten. Obwohl es ringsum nicht komplett dunkel ist, können wir die Milchstraße deutlich erkennen. Es sind sogar so viele Sterne am Himmel, dass wir uns schwer tun, die einzelnen Sternbilder zu unterscheiden.
Tag 13: Montag, 3. Oktober
Die letzten Tage des Urlaubs rücken näher und langsam müssen wir überlegen, was wir noch alles sehen wollen. Heute jedenfalls wollen wir noch ein letztes Mal in den Süden.
Als erstes verbringen wir eine Weile am Strand von Emporio, bevor wir weiter nach Olympi fahren. Der Ort wirkt auf uns noch sehr ursprünglich: ein paar Bauern reiten auf Eseln durchs Dorf, Frauen sortieren vor der Haustür den Mastix und alles macht einen sehr authentischen Eindruck auf uns.
Im September werden in den Dörfern der Mastichchoria die Mastixtränen von Hand sortiert.
Olympi ist neben seinem Mastixanbau auch für seine Bienenzucht bekannt.
Wenn wir schon in der Gegend sind, wollen wir auch nochmal in Pyrgi bei Maria essen gehen. Es ist nicht so viel los und daher unterhalten wir uns eine ganze Weile mit ihr und müssen ihr versprechen, dass wir uns unbedingt bei ihr melden, wenn wir mal wieder auf Chios sind.
Als wir ins Hotel zurückkommen, liegt ein Zettel der Reiseleiterin in unserem Fach: Wir müssen nun doch schon morgen Abend nach Lesbos abreisen. Na prima, nun müssen wir schon wieder das Mietauto umorganisieren, weil wir schon wieder genau zur Zeit der Autoübergabe auf einer Fähre sein werden! Und außerdem haben wir gerade eben noch etwas zum Essen eingekauft für morgen. Keine Ahnung, wann wir das vertilgen sollen.
Wir rufen bei der Reiseleiterin an und erfahren, dass der Winterfahrplan „ganz überraschend“ kam – aber sie sagt uns gleichzeitig, dass sie das schon seit fast einer Woche weiß. Schön für sie! An unserem ersten Tag war sie aber noch sicher, dass wir mit der Frühfähre am Mittwoch fahren. Man muss schon sagen: klasse Organisation!
Wir lassen uns nicht die Stimmung vermiesen, aber es bleibt uns trotzdem nichts anderes übrig, als schon wieder nach Agia Fotia zu fahren, um bei der Autovermietung Bescheid zu geben. Doch dort ist das alles kein Problem: Wir vereinbaren, dass wir den Schlüssel notfalls auch im Hotel deponieren können. Wenigstens ein Problem ist gelöst. Auf der Rückfahrt halten wir die Augen auf nach Oleandersträuchern, denn wir wollen wieder ein, zwei Ableger für zu Hause mitnehmen. Leider gibt’s auf dieser Strecke keine große Farbauswahl, aber wir suchen uns einen schönen rosafarbenen Strauch mit gefüllten Blüten aus.
Bei so viel Abschiedsaktivitäten macht sich bei uns zwischenzeitlich schon eine Art „Heimreisestimmung“ breit, der wir am Abend mit einer Flasche Retsina entgegenwirken.
Tag 14: Dienstag, 4. Oktober
Der Abreisetag hat wie immer eine wehmütige und eine freudige Seite. Zum einen freuen wir uns, dass wir bald wieder in gewohnter Umgebung sein werden, auf der anderen Seite hat es uns hier auf Chios sehr gut gefallen.
Viel können wir heute nicht tun, außer Koffer packen und dumm rumzusitzen. Gut, dass wir beide noch jeder ein Buch haben, das noch nicht ausgelesen ist. Wir fahren noch ein letztes Mal mit dem Auto los, diesmal aber nur nach Karfas, wo wir in einer Strandtaverne gemütlich sitzen, etwas essen, ein Bier trinken und den Leuten zuschauen. Man merkt in der Zwischenzeit auch schon, dass sich die Saison dem Ende zuneigt, einige Geschäfte sind bereits geschlossen und auch die Tavernen werden langsam winterfest gemacht.
Irgendwann am frühen Nachmittag kehren wir dann ins Hotel zurück, wo wir die letzten Dinge einpacken, den Kühlschrank ausräumen und die übrig gebliebene Gurke unser Wirtin schenken – wir können sie ja schlecht mit uns rumschleppen.
Gegen Viertel nach Fünf kommt ein Mitarbeiter der Autovermietung und holt das Auto ab. Von wegen, in Griechenland würde nichts klappen. Jedenfalls widerlegt unser Autovermieter dieses Vorurteil gründlich.
Wir unterhalten uns anschließend noch richtig nett mit der Hotelwirtin und merken gar nicht, dass es bereits kurz vor sechs Uhr ist und unser Taxi schon dasteht. Hätte der Hund nicht gebellt, hätten wir vermutlich noch die Fähre verpasst. Nach einer schnellen, aber dennoch herzlichen Umarmung, steigen wir ein und unsere Heimreise beginnt.
Die Fähre „Nissos Mykonos“ bringt uns wieder zurück nach Lesbos.
Die Fähre, die uns nach Lesbos zurückbringt, ist ein hypermodernes Teil und brandneu. Und sauschnell! Wir legen schon nach zweieinhalb Stunden in Mytilini an, wo wir wieder in das gleiche Hotel wie bei der Anreise gebracht werden. Wir trinken als Abschluss unseres Urlaubs noch ein, zwei Ouzo an der Bar, bevor wir müde ins Bett fallen.
Tag 15: Mittwoch, 5. Oktober
Die Nacht war kurz, denn um Viertel nach acht Uhr soll schon unser Taxi kommen. Wir jedenfalls stehen pünktlich vor dem Hotel, doch ein Taxi ist nicht in Sicht. Nach einer ganzen Weile wird sogar unser Wirt unruhig und organisiert von sich aus ein Taxi. Am Flughafen macht die Reiseleiterin ganz große Augen, dass wir so spät kommen. Sie hat anscheinend ganz vergessen, sich um ein Taxi für uns zu kümmern …
Trotzdem sind wir mehr als pünktlich am Flughafen, in Griechenland dauert das Einchecken sowieso nicht so lange wie in Deutschland und verlaufen kann man sich auf dem Flughafen von Mytilini auch nicht.
It’s boarding time!
Im Flugzeug sitzen wir zwar nebeneinander, aber durch einen Gang getrennt, aber es liegen ja nur zweieinhalb Stunden Flug vor uns und wir waren sowieso die letzten 2 Wochen ununterbrochen zusammen. Der Bordservice ist ein wenig überfordert, da offenbar zu wenig economy class-Verpflegung eingeladen wurde. Aber dafür ist noch first class-Essen übrig und wir sagen auch nicht nein, als uns das mit vielen blumigen Entschuldigungen angeboten wird.
München empfängt uns mit wechselhaftem Wetter, es tröpfelt ein wenig und ist auch deutlich kühler als auf Chios. Schade, dass unser Urlaub nun zu Ende ist. Wir werden jedenfalls noch gerne an Chios zurückdenken – und vielleicht sogar nochmal wiederkommen.